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Thema: Zeitgemäße Übersetzung von "impairment" (http://enthinderung.de/topic.php?id=137)


Geschrieben von: 55555 am: 17.04.12, 18:20:30
In der CRPD-Konvention wird disability (Behinderung) wie bekannt aus der Interaktion von teilhabebehindernden Barrieren und Personen mit "impairment". Letzteres wurde in der deutschen Schattenübersetzung noch mit "Menschen mit Beeinträchtigungen" übertragen. Ich halte diese Übertragung für nicht sachgerecht, wenn wir wirklich auf der Höhe der Erkenntnisse zur Sache bleiben wollen.

Was ist also "impairment"? par ist das lateinische Wort für "gleich", wenn man es aus dem Blickwinkel übersetzt weist "impairment" also eher wertneutral auf eine bestehende Andersartigkeit der betreffenden Personen hin. Und ich denke dies sollte man künftig auch in den deutschen Diskussionen zur Sache beherzigen, statt hier unnötige Selbstdiskriminierungen vorzunehmen.


Geschrieben von: feder am: 18.04.12, 16:45:21
Nur kommt "impairment" aus dem Altfranzösischen 'empeirement' (neufranzösisch empirement) und das hängt frz. 'pire' (=schlechter, von lat. peior) zusammen. vgl. auch das OED


Geschrieben von: 55555 am: 19.04.12, 09:50:24
Den Link kann ich mangels Zugang nicht öffnen, aber es ist ja relativ offensichlich, daß die von mir angerissene Bedeutung noch breit im deutschen Sprachraum erhalten ist. Eine Par-tei ist eine Gruppierung von Gleichen (naja, jedenfall dem Wort nach). Es gibt sogar einen Wohlfahrtverband, der sich auf diese Variante bezieht:
Zitat:
Als Parität wird in der Politik ein gleichmäßiges Verhältnis von Stimmen in einem Gremium bezeichnet (lateinisch: paritas „Gleichheit, gleich stark“). Ziel einer Parität ist es zu verhindern, dass Gremien durch knappe Mehrheiten dominiert werden, oder Minderheiten durch einfache Mehrheitsbeschaffungen ausgeschlossen werden. So ist es in Baden-Württemberg üblich, Landeslisten von Parteien hälftig und gleichverteilt zwischen den Landesteilen Württemberg und Baden zu besetzen.

Quelle

Und wenn man dann noch bedenkt, daß der von Behinderten selbst geschaffene Begriff "Behinderung" möglicherweise zeitweise auch völlig verdreht wurde und dazu führte, daß die vorhandenen Abwertungen aufden ganzen Begriff übergingen und ihn aus dem sonstigen Alltagsgebrauch katapultierten ist eine solche Rückbesinnung im Fall von "impairment" vielleicht ein sinnvoller Weg, egal wie nun die Überlieferungsstufen genau verliefen.

Demnach wäre pair-ment soetwas wie Parität und impairment das Gegenteil davon, also Nichtparität. Das ginge dann schon ziemlich in die Richtung soziales Behinderungsverständnis, ja regelrechter Redundanz der Begriffe. Also könnte man "impairment" als das verstehen wollen, das von einer Personeneigenschaft her gesehen nicht der mehrheitlichen Bevölkerungspartei (aus deren Sicht) zugehört.


Geschrieben von: feder am: 19.04.12, 10:09:51
Nur weil etwas scheinbar gleich/ähnlich aussieht, bedeutet das noch lange nicht, dass es vom selben abstammt.

Aber wenn man Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, wild zusammenwerfen will, weil es gerade so schön passt, dann kann man das natürlich tun. Wie durchsetzungsfähig das sein sollte, ist vielleicht nochmal eine andere Frage.

Vielleicht wäre es sinnvoller sich einzugestehen, dass die CRPD schon in ihrer Unrsprungsfassung stellenweise offensichtlich einem medizinischen Behinderungsverständnis entstammt und das auch offen kritisieren. Schönreden halte ich nicht für sinnvoll.


Geschrieben von: 55555 am: 19.04.12, 11:00:22
Was die Annahme einer Absicht der CRPD angeht sehe ich es genauso, daß verschiedene Ansichten bei der Erstellung zum Tragen kamen. Allerdings scheint es ja schon so zu sein, daß zumindest versucht wurde zuletzt auf das soziale Modell umzuschreiben, also dies dann auch als aktuellerer Wille der Konvention gedeutet werden müßte.

Zudem haben wir in dem Absatz der Behinderungsdefinition ja auch direkt den Passus der evolving concepts und das vielleicht ja auch gerade deswegen, weil die Verfasser gerade noch im Kopf hatten, daß sie fast einen kapitalen Bock geschossen hätten. Dies könnte man ja nun so deuten, daß es der Wunsch der Verfasser war sich eben davor zu schützen solche Fehler zu zementieren, indem sie den Willen kundtaten, daß es in Richtung des sozialen Modells gedeutet werden soll und zwar so, daß es auch guten Sinn macht.