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55555

(Standard)

Besonders im DIMR scheint mir seit einiger Zeit der Begriff "Menschen mit Beeinträchtigungen" zum vermeintlich korrekten Vokabular zu zählen.
Zitat:
Lange Zeit wurde Behinderung als Problem des bzw. der Einzelnen betrachtet. Die UN-Behindertenrechtskonvention etabliert einen veränderten Blick auf Behinderung: Nicht die Menschen mit Beeinträchtigungen sind behindert, sie werden – durch Barrieren in der Umwelt – behindert. Die Publikation der Monitoring-Stelle erläutert diesen neuen Behinderungsbegriff und setzt ihn in Beziehung zur Definition von Behinderung im deutschen Sozialrecht und in der internationalen Behinderungsklassifikation der Weltgesundheitsorganisation.

Quelle

Kommt nur mir die Verwendung oben wie ein unglaublicher Schildbürgerstreich vor? Sagt der Begriff nicht genau das aus, was laut Text überwunden werden soll, nämlich die Verortung von Einschränkungen beim Behinderten selbst? Ja, die indirekte Behauptung, daß alle Behinderten eingeschränkt werden durch die Tatsache, daß die Begriffe "Behinderter" und "Mensch mit Beeinträchtigungen" synonym verwendet werden?

Ein deutsches Sprichwort sagt: "Unter den Blinden ist der Einäugige König!" Aber dieses Sprichwort stimmt nicht: "Unter den Blinden kommt der Einäugige ins Irrenhaus!"

Heinz von Foerster
13.02.12, 13:25:08
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55555

(Standard)

geändert von: 55555 - 20.02.12, 20:46:01

Nach der Sichtung weiterer DIMR-Publikationen schrieb auch DIMR-Direktor Heiner Bielefeld in "Zum Innovationspotenzial der UN-Behindertenrechtskonvention" auf S.8 (DIMR-Ausgabe)
Zitat:
Behinderung wird in dieser Definition, um es in der Sprache der modernen Sozialwissenschaften auszudrücken, als eine gesellschaftliche Konstruktion verstanden. Zwar knüpft sie an bestimmte physische, psychische, mentale oder sensorische Beeinträchtigungen („impairments“) an.

[...]

Die in der Definition enthaltene Unterscheidung zwischen „impairment“ und „disability“ erinnert an die in der Geschlechterforschung etablierte begriffliche Differenzierung zwischen „sex“ und „gender“: Gleichsam das Analogon zum Begriff des biologischen Geschlechts („sex“) bildet in der Definition der Begriff der Beeinträchtigung („impairment“); sie stellt das biologisch-natürliche Element dar, das in der Behinderung in der Regel mit präsent ist. Die Behinderung als solche wird indessen nicht in dieser natürlichen (physischen, mentalen, sensorischen etc.) Beeinträchtigung des Individuums gesehen, sondern (analog zu „Gender“) als eine gesellschaftliche Praxis bestimmt, die solche Beeinträchtigungen zum Anlass für Zuschreibungen aller Art nimmt.


Diese Aussage vermag ich kaum anders zu bezeichnen denn als intellektuellen Blackout. Offenbar ist Herrn Bielefeld trotz der zuvor in seinem Text weitgehend richtig dargestellten Analyse der Ursachen von Behinderung nicht klar, was diese Analyse insgesamt bedeutet.

Behinderung knüpft eben nicht an Beeinträchtigungen an. Dies so zu formulieren läuft letztenendes lediglich darauf hinaus das schon immer falsche medizinische Behinderungsverständnis nun basierend auf dem Begriff "Beeinträchtigung" fortzuführen. Auch der Vergleich mit sex und gender führt aus meiner Sicht in die Irre.

Behinderte, also Menschen, die durch unsere Gesellschaft behindert werden, sind mitnichten "Menschen mit Beeinträchtigungen", sondern Menschen mit relativ seltenen unfreiwilligen Personeneigenschaften, die bei der Gestaltung der Kulturlandschaft einer Gesellschaft so wenig berücksichtigt wurden, daß diese Menschen in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe in einer gewissen Erheblichkeit behindert, also diskriminiert werden. In einer anderen Welt könnte diese Situation völlig auf dem Kopf stehen, einfach nur weil die statistische Bevölkerungsverteilung völlig verschieden von der unserer Welt ist. Es führt nicht weiter, ständig wieder auf anderem Weg die Diskriminierung von Personeneigenschaften her zu denken, wenn wir endlich mit diesen gesellschaftlichen Mythen der statistischen Durchschnittsbevölkerung aufräumen wollen.

Behinderte sind zu einem gewissen Anteil krank, jedoch trifft das bei weitem nicht auf alle Behinderten zu. Wieso sollten "Kleinwüchsige" an sich "Menschen mit Beeinträchtigungen" sein? Warum Gehörlose, Autisten, etc.? Selbst wenn man einen Begriff wie "Menschen mit Beeinträchtigungen" befürwortet verbietet sich eine Verwendung als Synonym für "Behinderter" aus meiner Sicht von selbst, wenn jemand den sozialen Behinderungsbegriff wirklich erfasst hat.

Nein, ich bin kein "Mensch mit Beeinträchtigung" und soetwas zu behaupten empfinde ich als Frechheit.

Ein deutsches Sprichwort sagt: "Unter den Blinden ist der Einäugige König!" Aber dieses Sprichwort stimmt nicht: "Unter den Blinden kommt der Einäugige ins Irrenhaus!"

Heinz von Foerster
20.02.12, 20:05:33
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indianer

(Standard)

geändert von: indianer - 26.02.12, 16:32:53

Meine Erfahrung im Austausch nicht Behinderter oder kranker Menschen mit ähnlichen Einschränkungen ist so, dass sie es vorübergehend nicht können, ich das dauerhaft nicht kann. Die damit verbundenen Behinderungen sind sehr umfangreich:

  • mangelnder sozialer Kontakt

  • erschwerte direkte Kommunikation mit meinen Mitmenschen auf Grund einer mißverstandenen Theory of Mind beziehungsweise ungenügend ausgedrückter nonverbaler Kommunikation, die dann zu Mißverständnissen und Konflikten führen kann

  • erschwerte Durchsetzungsfähigkeit auf Grund von Schwierigkeiten bei Assoziation in Gruppen bzw. Mobbinganfälligkeit

Da diese elementare Form des Zusammenlebens darstellen, fühle ich mich und werde behindert, bzw. diskriminiert.

Inklusion bedeutet für mich, dass meine Eigenschaften akzeptiert werden und ich trotzdem in eine Gemeinschaft integriert werde, die diese Umstände einfach kompensiert.
Da dies aber eher die Ausnahme als die Regel darstellt, wird das logisch betrachtet Selbstverständliche (also die Inklusion) zur Gnade bzw. zur Hilfestellung umgedeutet und somit auch zu einem Kostenfaktor degradiert.
Die Behinderung bzw. Beeinträchtigung ist also nur Ausdruck eines nicht zugestandenen Ausgleichs gleichermaßen am Leben teilhaben zu können.
Ich sehe darin aber auch die Aufforderung, Wege zu eröffnen, die es den Mitmenschen erlauben, uns hier entgegenkommen zu können.
Das derzeitige Vorgehen basiert immer auf die ärztlich definierte Unmöglichkeit bestimmte Dinge zu tun.
Z.B. verstehen der Theorie of Mind oder von Ironie, indem man uns abspricht, dies auch erlernen zu können (mehr oder weniger gut).
Nur ein miteinander bringt uns aber weiter.

Ich habe die Weisheit mit dem Löffel gegessen, um sie dann wieder auszuspucken.
25.02.12, 17:53:27
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Rauhreif

(Standard)

Wenn wir uns darauf einigen könnten, dass die Mehrheit der Bevölkerung dauerhaft beeinträchtigt/behindert ist,

weil sie nicht wie Albert Einstein denken kann,
nicht wie Egon Schiele malen kann,
nicht wie Rainer Maria Rilke dichten kann,
nicht wie Alban Berg komponieren kann,
nicht wie mein Freund hüpfen kann,
nicht wie mein Feind brüllen kann,
nicht wie mein Schreiner hobeln kann,
nicht wie meine Putzfrau putzen kann...

dann ließe ich mit mir reden.

Aber warum sollte eine eher mittelmäßige Mehrheit die Norm sein? Wird in dieser Mehrheit nicht doch meist der, der herausragend ist, am besten bezahlt? Wieso gilt denn hier das Unübliche nicht als Beeinträchtigung???

Ich halte das weihrauchgeschwängerte Gerede von Minderheiten mit Beeinträchtigungen für eine Form zwielichtiger massiver Unterdrückungsversuche durch eine Mehrheit! Und das sollte beim Namen genannt werden, wenn man sich Begrifflichkeiten dieser Mehrheit andient!
26.02.12, 02:15:00
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indianer

(Standard)

geändert von: indianer - 26.02.12, 16:37:47

Absolute Zustimmung, Raureif, und doch keine Einigung. Warum?
Weil Behinderung eine Refelxion unserer Gesellschaft ist. Wer behindert sein muß, damit er Hilfe, bzw. Erleichterungen bekommt, damit er im Leben besser zurechtfindet (finanziell oder durch Hilfsmittel), der darf sich aber zu Recht fragen, warum das behindert genannt wird und die Hilfe nicht eine Selbstverständlichkeit ist.
Solange das Leben als Konkurrenz zu anderen betrachtet wird und das ist sie in einer Leistungsgesellschaft, - die nicht davor zurückschreckt auch Mitmenschen verhungern zu lassen - solange ist die Anerkennung der Behinderung ein wichtiger und lebensnotwendiger Schutz davor, dieses Schicksal erleiden zu müssen, weil man ein Gebrechen hat. So gesehen bin ich be- und verhindert und auch hilfsbedürtig, weil ich sonst nur noch die A-Karte ziehen würde. Auch wenn ich zu den überdurchschnittlich intelligenten zähle.
Warum wurden Hexen verbrannt? Und das werden sie auch heute noch, wenn sie nicht daran gehindert werden
Warum gibt es überhaupt Mobbing oder Lynchjustiz?
Es ist immer das Gleiche, die mangelhafte Fähigkeit Andersartigkeit zu akzeptieren. Die Grenze setzt sich für mich erst dann, wenn es um vorangegangene Aggression des Opfers gegenüber Mitmenschen geht. (Der Verdacht alleine ist dabei aber nicht ausreichend)
Eine wirklich gute Literatur dazu ist die Pellinor-Saga, weil sie sich wie ein Fantasy-Roman liest, jedoch auf wahren Begebenheiten basiert und doch alles beinhaltet, was zu diesem Thema erforderlich ist. Ich habe sie gelesen und seitdem habe ich mich verändert.

Ich habe die Weisheit mit dem Löffel gegessen, um sie dann wieder auszuspucken.
26.02.12, 16:26:02
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55555

(Standard)

Mir kommt es so vor, als sei hier nicht auf meine Kritik am obenstehenden Begriff eingegangen worden. Dennoch will ich des Feedback willens hierauf eingehen.
Zitat von indianer:
dass sie es vorübergehend nicht können, ich das dauerhaft nicht kann.

Und welche Schlußfolgerung wird daraus für das Thema abgeleitet?
Zitat:
erschwerte direkte Kommunikation mit meinen Mitmenschen auf Grund einer mißverstandenen Theory of Mind beziehungsweise ungenügend ausgedrückter nonverbaler Kommunikation, die dann zu Mißverständnissen und Konflikten führen kann

Was wird als mißverstandene ToM gemeint? Wer drückt nonverbale Kommunikation welcher Art ungenügend aus?
Zitat:
Da diese elementare Form des Zusammenlebens darstellen, fühle ich mich und werde behindert, bzw. diskriminiert.

Ja.
Zitat:
Inklusion bedeutet für mich, dass meine Eigenschaften akzeptiert werden und ich trotzdem in eine Gemeinschaft integriert werde,

Zustimmung.
Zitat:
die diese Umstände einfach kompensiert.

Was soll kompensiert werden? Die Diskriminierung?
Zitat:
Die Behinderung bzw. Beeinträchtigung ist also nur Ausdruck eines nicht zugestandenen Ausgleichs gleichermaßen am Leben teilhaben zu können.
Ich sehe darin aber auch die Aufforderung, Wege zu eröffnen, die es den Mitmenschen erlauben, uns hier entgegenkommen zu können.

Ausgleich wofür? Entgegenkommen? Mir fehlt hier etwas die klare Erkenntnis, daß die Diskriminierung das Problem ist und somit das Problem auch durch Universelles Design (auch auf sozialer Ebene) gelöst werden kann. "Menschen mit" weist jedoch an sich schon auf eine vermeintliche Personeneigenschaft hin. Und die oben zitierte "Erklärung" von Behinderung dadurch, daß man Behinderte zu "Menschen mit Beeinträchtigungen" erklärt weist darüber hinaus auch argumentativ schon wieder weg von der Errungenschaft des sozialen Behinderungsverständnisses.
Zitat:
Wer behindert sein muß, damit er Hilfe, bzw. Erleichterungen bekommt, damit er im Leben besser zurechtfindet (finanziell oder durch Hilfsmittel), der darf sich aber zu Recht fragen, warum das behindert genannt wird und die Hilfe nicht eine Selbstverständlichkeit ist.

Wieso wird von "Hilfe" aus gedacht (die ja oft nur ein Almosen ist, das von der Gesellschaft gegeben wird um sich der Illusion hingeben zu können viel für Behinderte zu tun, obwohl tatsächlich konsequente - nicht selten auch noch billigere, aber mit lästiger Denktätigkeit und Selbstreflektion einhergehender - Barrierefreiheit verweigert wird) und nicht vom Universellen Design aus?
Zitat:
Solange das Leben als Konkurrenz zu anderen betrachtet wird und das ist sie in einer Leistungsgesellschaft, - die nicht davor zurückschreckt auch Mitmenschen verhungern zu lassen - solange ist die Anerkennung der Behinderung ein wichtiger und lebensnotwendiger Schutz davor, dieses Schicksal erleiden zu müssen, weil man ein Gebrechen hat.

Das wäre vielleicht einen eigenen Thread wert?
Zitat:
Es ist immer das Gleiche, die mangelhafte Fähigkeit Andersartigkeit zu akzeptieren.

Ja.

Ein deutsches Sprichwort sagt: "Unter den Blinden ist der Einäugige König!" Aber dieses Sprichwort stimmt nicht: "Unter den Blinden kommt der Einäugige ins Irrenhaus!"

Heinz von Foerster
27.02.12, 17:30:21
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indianer

(Standard)

Zitat von 55555:

Behinderte, also Menschen, die durch unsere Gesellschaft behindert werden, sind mitnichten "Menschen mit Beeinträchtigungen", sondern Menschen mit relativ seltenen unfreiwilligen Personeneigenschaften, ... mit diesen gesellschaftlichen Mythen der statistischen Durchschnittsbevölkerung aufräumen wollen.

Behinderte sind zu einem gewissen Anteil krank, jedoch trifft das bei weitem nicht auf alle Behinderten zu. ... Warum Gehörlose, Autisten, etc.?

Nein, ich bin kein "Mensch mit Beeinträchtigung" und so etwas zu behaupten empfinde ich als Frechheit.


Das ist lediglich eine Frage des Standpunkts. In einer Gesellschaft, die die von mir beschriebenen Eigenschaften als "nicht normal" bezeichnet, und sich deshalb von mir abgrenzt, ist das durchaus eine Beinträchtigung im meinem sozialen Kontakten. Ich werde als "behindert" betrachtet, weil ich das nicht kann, ich wiederum wünsche mir natürlich auch, dass das nicht so gesehen wird.
Konkurrenz und Diskriminierung stehen nun mal in einem sehr engen Verhältnis zueinander und werden potenziert, wenn es dabei um lebenswichtige Ressourcen geht (und Geld ist das).
Abgrenzung ist nicht nur das Resultat von Anderartigkeit, sondern auch von Unverständnis oder Abschirmung vor Personen, die ein Wertebild in Frage stellen. Daher werden ja auch ganze Kulturen so behandelt, wobei die Indianer diejenigen sind, die wohl als die am meisten diskriminiert werden. Dicht gefolgt von den Autisten.
Behinderung in unserer Gesellschaft bedeutet nichts anderes als Schutz, je weniger dieser zugestanden wird, desto schwächer ist er. Wer sich diesem Teufelskreis entziehen will, muss eine eigene Gemeinschaft bilden. Gerade aber damit haben doch Autisten die größten Probleme. So einfach gestrickt sehe ich das.

Ich habe die Weisheit mit dem Löffel gegessen, um sie dann wieder auszuspucken.
28.02.12, 10:39:46
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55555

(Standard)

Mir scheint noch nicht erfasst worden zu sein, worum es in meiner Kritik eigentlich geht. Rein sprachlich ist der Begriff "Menschen mit Beeinträchtigungen" bereits so gefasst, daß eigentlich "Beeinträchtigung" nur als Personeneigenschaft gemeint sein kann (wenn das jemand anders sieht widerspricht es der allgemeinen Sprachstruktur der deutschen Sprache und ist insofern schon ungeeignet, selbst wenn es so gemeint sein sollte). Im zweiten Zitat oben wird Behinderung und Beeinträchtigung darüber hinaus noch eindeutig mit sex und gender verglichen, wobei sex das natürliche biologische Geschlecht sei. Der Autor ist also offenbar der Ansicht (alle!) Behinderte seien als Person beeinträchtigt, so wie jemand als Person eben irgendein biologisches Geschlecht hat, wieviele man auch genau annehmen will.

Diese Annahme ist eine Frechheit, weil Behinderung eben nichts damit zu hat, ob jemand als Person unabhängig von einer konkreten Gesellschaft beeinträchtigt ist. Ist ein Gehörloser in einer Welt von Gehörlosen ein "Mensch mit Beeinträchtigung"? Entweder sieht man es so, dann wäre jeder Mensch ein "Mensch mit Beeinträchtigung", weil niemand alles kann. Dann wäre der Begriff in der Folge für diese Zusammenhänge nutzlos. Oder man erkennt, daß der Gehörlose in einer Gesellschaft von Gehörlosen kein "Mensch mit Beeinträchtigungen" ist und erkennt in der Folge auch, daß es bei "Beeinträchtigungen" sich eben nicht um Personeneigenschaften handelt und auch nichts, was Anlaß der Behinderung wäre. Nein, die Beeinträchtigung ist Teil der gesellschaftlichen Behinderung selbst und taugt insofern nicht um Behinderung zu erklären.

Ein deutsches Sprichwort sagt: "Unter den Blinden ist der Einäugige König!" Aber dieses Sprichwort stimmt nicht: "Unter den Blinden kommt der Einäugige ins Irrenhaus!"

Heinz von Foerster
28.02.12, 12:26:29
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indianer

(Standard)

ich glaube letztlich sagen wir dasselbe, nur von einem unterschiedlichen Blickwinkel betrachtet. Behinderung ist eine subjektive Sicht eines Zustands Menschengruppen betreffend, so sehe ich das auch.
In dem Moment, in dem das kein Hindernis für mich darstellt, (z.B. weil man mich so akzeptiert wie ich bin) bin ich auch nicht behindert.
Gesundheit ist also relativ zum Blickwinkel des Betrachters.
Hinzu kommt noch das Element der Selbständigkeit. Je mehr selbständig ich bin, desto weniger bin ich "behindert".
Das wird jedoch auch von außen beeinflußt, also werde ich behindert oder bin beeinträchtigt(weil ich etwas nicht kann, das ich können muß). Womit wieder die Leistungsgesellschaft ihre Normen schafft.

Vielleicht kann man das so interpretieren:
"Ein Dieb ist unter Dieben zwar normal, aber dennoch ein Dieb."
Doch dieser Vergleich basiert auf einer absoluten Einschätzung(Personeneigenschaft bzw. Volkszugehörigkeit, z.B. Zigeuner), die nichts zur Persönlichkeit selbst aussagt und somit dann auch kein Unterschied an sich ist. Vielleicht stiehlt er nur deshalb, weil er sonst nicht überleben kann oder vielleicht nichts anderes gelernt hat?
Letzlich ist man eigentlich nur so lange behindert oder beeinträchtigt, so lange man sich so fühlt.

Also kann das letztlich so betrachtet werden:
Solange es "Behinderte" gibt, läuft da was in der Gesellschaft noch nicht ganz richtig. Wer daraus aber ableitet, dass Behinderte ausgerottet werden sollen (und dann auch noch in die Kirche geht), der hat überhaupt nichts begriffen.

Diese ganze Überlegungen machen nur in einer Gesellschaft Sinn, die sich übergeordnete Ziele setzen kann und in der das Recht auf Leben, Wohnen und Nahrung ein Elementarrecht ist.

In der jetzigen Sichtweise sind Indianer definitiv behindert, weil sie nicht so weiß sein können wie die anderen "Amerikaner".

Ich habe die Weisheit mit dem Löffel gegessen, um sie dann wieder auszuspucken.
28.02.12, 15:18:09
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55555

(Standard)

Soweit ich lese geht noch einiges verquer, darum ersteinmal Reduktion.
Zitat von indianer:
In dem Moment, in dem das kein Hindernis für mich darstellt, (z.B. weil man mich so akzeptiert wie ich bin) bin ich auch nicht behindert.
Gesundheit ist also relativ zum Blickwinkel des Betrachters.

Das könnte den Schluß zulassen Gesundheit und (Nicht)Behinderung würden in einem Betrachtungszusammenhang gesehen? In welchem?

Ein deutsches Sprichwort sagt: "Unter den Blinden ist der Einäugige König!" Aber dieses Sprichwort stimmt nicht: "Unter den Blinden kommt der Einäugige ins Irrenhaus!"

Heinz von Foerster
28.02.12, 15:32:37
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indianer

(Standard)

geändert von: indianer - 28.02.12, 18:36:02

Absolute Ansichtssache, verquer ist subjektiv.
Bin ist hier als sich fühlen zu verstehen, das ist dann dasselbe, oder nicht?

Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten.
Im Falle einer seelischen Behinderung kann Integration bewirken, dass die Behinderung nur unterschwellig wahrgenommen wird,weil ein gesellschaftliches Zusammenleben statt finden kann.
Bei körperlichen Behinderungen ist es etwas anders.
Modell treppenfreie Stadt oder Dorf würde für Gehbehinderte sicher zu mehr Akzeptanz beitragen. Blindensprache auf Knopfdruck oder standartisierte akustische und optische Signale im öffentlichen Leben hätten sicher den Effekt, dass die betroffenen Personengruppen sich freier und sicherer bewegen könnten.
Gesund ist in diesem Zusammenhang ein Synonym für Intakt, also auch wieder subjektiv.
Zu geistigen Behinderungen kann ich nichts sagen, da kenn ich mich nicht aus.

Ich brauche jetzt eine Gegendarstellung, sonst dreht sich das langsam in Kreise.

Was ist so verquer dabei? Es ist nun mal die Perspektive aus der Sicht der "Gesunden" in der die Welt sich danach ausrichtet, was "Gesunde" so brauchen, oder?
Sozial resultiert aus der Denkweise - extra - also für jemand anderen und der Kostenbrille (brauche ich nicht, mache ich aber trotzdem). Genau aus diesem Blickwinkel entstehen ja diese Begriffs-Konstrukte.

Ich habe die Weisheit mit dem Löffel gegessen, um sie dann wieder auszuspucken.
28.02.12, 18:22:20
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55555

(Standard)

Zitat von indianer:
Im Falle einer seelischen Behinderung kann Integration bewirken, dass die Behinderung nur unterschwellig wahrgenommen wird,weil ein gesellschaftliches Zusammenleben statt finden kann.

Hier wird "seelische Behinderung" als Eigenschaft der Person verstanden oder als Unterform der Behinderung als sozialem Vorgang?
Zitat:
Es ist nun mal die Perspektive aus der Sicht der "Gesunden" in der die Welt sich danach ausrichtet, was "Gesunde" so brauchen, oder?

Und welchen Bezug hat "gesund" zu "behindert"? Darauf wurde im Beitrag soweit ich sehe nicht geantwortet. Insofern weiß ich auch nicht so ich greifbarer ansetzen sollte, wenn meine Frage anscheinend einfach ignoriert wird.

Ein deutsches Sprichwort sagt: "Unter den Blinden ist der Einäugige König!" Aber dieses Sprichwort stimmt nicht: "Unter den Blinden kommt der Einäugige ins Irrenhaus!"

Heinz von Foerster
28.02.12, 18:30:43
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